“Teilsarraziniert” sei die bundesrepublikanische Gesellschaft. Über den Islam würde immer nur negativ gesprochen. Besonders Musliminnen mit Kopftuch bekämen die weit in die bürgerliche Mitte hinein verbreitete Feindschaft gegenüber Muslimen zu spüren. Laizismus würde verabsolutiert.
Diese Ergebnisse des Expertenberichts der neun noch verbliebenen Mitglieder des von Horst Seehofer (CSU) 2020 einberufenen Gremiums, das Islam- bzw. Muslimfeindschaft in Deutschland untersuchen sollte, sind mir aus der Rundfunkberichterstattung von letzter Woche noch erinnerlich. Auch die plausible Kritik daran von Fatina Keilani aus der “Neuen Zürcher Zeitung” https://www.nzz.ch/meinung/der-andere-blick/fragwuerdiger-bericht-zur-muslimfeindlichkeit-in-deutschland-ld.1744941 und inzwischen auch der “Welt” https://www.welt.de/politik/deutschland/article246205804/Muslimfeindlichkeit-Islamistische-Verbaende-wirkten-an-Studie-des-Innenministeriums-mit.htmlt.
Wie ermittelt man, ob und wie eine Gesellschaft “teilsarraziniert” ist? Wie erhebt man belastbare Daten, wenn höchstens ein Fünftel der hier lebenden Muslime in einschlägigen Vereinen und Verbänden, die keine Körperschaften des Öffentlichen Rechts sind, organisiert ist? Wie kommt man an all diejenigen aus islamisch geprägten Ländern eingewanderten Menschen heran, die sich überhaupt nicht als Muslime verstehen, auch wenn sie selber oder ihre Eltern und Großeltern Muslime waren wie viele eingeborene Deutsche einst Christen? Mir sind die teils spöttischen, teils ernstlich verärgerten Worte türkischstämmiger Kolleginnen und Kollegen auf unzähligen Konferenzen noch im Ohr: “Plötzlich war ich Muslim.” Kurzum, wie kriegten die Experten die Butter bei die Fische?
Über den Islam wird schlecht gesprochen? Über das Christentum mit seinen Kreuzzügen, den Judenpogromen, Ritualmordlegenden, der Inquisition, den Hexen-, Häretiker- und Bücherverbrennungen, seiner schwarzen Pädagogik, den häufigen Nachrichtenmeldungen über sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch in den Kirchen auch. Und hätten diese Kirchen in Deutschland noch immer denselben Einfluss und Status wie vor der Aufklärung oder der Weimarer Reichsverfassung von 1919, wären die Medien voll von wüsten Schmähkritiken. In der Bundesrepublik widmen sich ganze Vereinslandschaften der Forderung nach Abschaffung kirchlicher Privilegien. Und es ist, was die christliche Judenfeindschaft betrifft, noch viel Luft nach oben. Vergleichbares gegenüber dem Islam kann es schon deshalb im Christentum nicht geben, weil es vor dem Islam entstand und sich in seiner Traditionsliteratur naturgemäß keine antiislamischen oder antimuslimischen Gedanken- und Gefühlsfiguren finden, die eine irgendwie tief verwurzelte oder verankerte Feindseligkeit gegenüber Muslimen und dem Islam begründen könnte. Umgekehrt kommen nicht nur Juden, sondern auch Christen in der islamischen Traditionsliteratur nicht sonderlich gut weg. Fast alle Auseinandersetzungen, die es zwischen europäischen Christen und arabisch-osmanischen Muslimen gab, historisch wie aktuell, beruhen auf realen Konflikten.
Dass der Islam in Deutschland heutzutage nicht mehr sonderlich beliebt ist, hat viel mit dem Aufstieg des Islamismus seit 1979 und den Terroraktivitäten seiner militanten Extremisten zu tun. Dass man dafür nicht pauschal alle Muslime in Mithaftung nehmen kann, ist den meisten Mitmenschen hierzulande klar. Dass sie weder christliche noch islamische Fundamentalisten mögen, allerdings auch. Und ein Recht auf idealisierte Berichterstattung und uneingeschränkte Zuneigung existiert nicht.
Übrigens gehört Islamkritik in vielen Teilen der arabischen Welt inzwischen zum guten Ton. Wir dürfen uns glücklich schätzen, solche Avantgardisten wie die Keleks, Ates’, Abdel-Samads, Mansours, Ourghis et al in unserer Mitte zu wissen. Und all denen, die sie mit ihren Morddrohungen unter Polizeischutz zwingen, sollten wir mit unserer Kritik das Leben so schwer wie möglich machen!
Als “rückständig”, “gewalttätig” wahrgenommen … Solche Vorwürfe an die Adresse der hiesigen Mehrheitsgesellschaft klingen nach Edward Saids unwissenschaftlicher “Orientalismus”-Studie. Dass dieses Pamphlet aus den Jammer- und Beschwerdestudien kaum als Grundlage für einen seriösen Bericht dienen kann, sollte allen, die sich Wissenschaftler nennen, bekannt sein.
Wenn eine Minderheit Kleinkrimineller unter Einwanderern aus islamisch geprägten Kulturen ein Freibad auseinandernimmt, ist das gewalttätig. Wenn eine Minderheit von Großfamilien unter Einwanderern aus islamisch geprägten Ländern Clanstrukturen einführt und Friedensrichter beauftragt, ihre auf offener Straße ausgetragenen Konflikte zu befrieden, anstatt den Rechtsstaat und die Polizei ihre Aufgaben erledigen zu lassen, ist das rückständig. Wenn eine Minderheit unter den aus islamisch geprägten Ländern eingewanderten jungen Männern Autorennen mit Todesfolgen für Unbeteiligte veranstaltet, Frauen vergewaltigt, mit Messern Passanten verletzt oder ermordet, ist das rückständig, gewalttätig und kriminell. Die Polizeistatistiken der letzten Jahre sind da recht aufschlussreich. Und es hat mit einer Sozialisation zu tun, die auf autoritären Gehorsam, auf Erziehung durch körperliche Züchtigung und schwarze Pädagogik setzt. Das war vor fünfzig Jahren hierzulande unter Eingeborenen auch noch Normalität.
Freiheit, Eigenverantwortung, Selbstkritik, Selbstreflexion etc.pp wollen erlernt sein. Wieso sollte irgendwer annehmen, dass Einwanderern aus islamisch geprägten Kulturen diese Fähigkeiten angeboren sind?! Im Westen sind Muslime überall in der Minderheit und diese für sie bislang ungewohnte Erfahrung will akzeptiert und verarbeitet werden. Gläubigen, in den großen Kirchen organisierten Christen geht es zunehmend nicht anders.
Die Aussagekraft des Expertenberichts erscheint mir schon deshalb zweifelhaft, weil islamistische Kampfformeln wie “antimuslimischer Rassismus” verwendet und Mitglieder islamistischer Vereine und Verbände befragt wurden, kurzum: weil genau jener politische Islam mitredete, dessen wissenschaftliche Erforschung unsere Bundesinnenministerin unterband.