Ganze 11 Prozent der deutschen Bevölkerung befürworteten 1953 Konrad Adenauers Entschädigungspolitik („Wiedergutmachung“) gegenüber Überlebenden des Holocaust und dem Staat Israel. So gesehen, ist es – sarkastisch gesprochen – ein Fortschritt, wenn heute laut kürzlichen Umfragen 20 Prozent der Deutschen Israels aktuellen Verteidigungskampf gegen die Hamas im Gaza-Streifen nicht verurteilen. Ich halte diese geringe Prozentzahl Deutscher, die Israel unvoreingenommen begegnen, für eine Folge der antiisraelischen Berichterstattung über die israelische Gaza-Offensive der öffentlich-rechtlichen Medien. Leute, die schon seit dem barbarischen Massenmord der Hamas am 7. Oktober 2023 in Berlin und anderswo für die palästinensischen Araber und gegen Israel demonstrierten, waren noch für sehr kurze Zeit in der Minderheit. Noch vor der Bodenoffensive der israelischen Verteidigungsstreitkräfte ab Mitte Oktober 2023 drehte sich das Mehrheitsverhältnis absehbar für immer um. Vorhersehbar war das deshalb, weil Israel jedes Mal, wenn es sich gegen arabisch-palästinensischen Terrorismus wehrt, auf die Anklagebank gesetzt, dämonisiert, delegitimiert und mit doppelten Standards gemessen wird. Dieses 2000 Jahre alte antisemitische Muster stellt sich so zuverlässig ein, dass man die Uhr danach stellen könnte. Das ist das eine.
Darstellung und Selbstdarstellung der palästinensischen Araber weltweit und in Deutschland sind das andere. Ich kenne keine öffentlich-rechtlichen Dokumentationen – vielleicht habe ich etwas übersehen -, die sämtliche Fakten zum arabisch-israelischen Konflikt seit 1920 auch nur halbwegs korrekt, ohne entscheidende Auslassungen, Verdrehungen und ohne handfeste arabische Propagandalügen wiedergibt. Dabei liegen all diese Fakten seit Jahrzehnten detailliert auf dem Tisch. Die beiden wichtigsten Bücher dazu hat der israelische Historiker Benny Morris mit „The Birth of the Palestinian Refugee Problem, 1947 – 1949“ und „1948“ geschrieben, die inzwischen beide auf Deutsch vorliegen. Wer keine Zeit hat, sie zu lesen, kann sich die Interviews und Vorträge von Morris anhören: u. a. https://www.youtube.com/watch?v=XI3Hq8OgVb4; https://www.youtube.com/watch?v=YzN3hHEvGdc; https://www.youtube.com/watch?v=pCblc2n6-Bs; https://www.youtube.com/watch?v=5I2_n6sd-Fo).
Es gab von 1947 bis 1949 keine von zionistischer Seite geplanten und systematischen Massenvertreibungen palästinensischer Araber aus dem Kerngebiet des heutigen Israels. Und erst recht keine „ethnischen Säuberungen“. Als nach Bekanntwerden des UN-Teilungsbeschlusses im November 1947 Araber begannen, Juden zu attackieren, brach ein Bürgerkrieg im damaligen Mandatsgebiet Palästina aus. Die ersten palästinensischen Araber flohen vor dem sich bereits abzeichnenden Angriffskrieg, den die arabischen Anrainerstaaten ab dem 15. Mai 1948 gegen das tags zuvor gegründete Israel starteten. Dabei verließen die palästinensischen Araber, meist Frauen und Kinder, ihre Ortschaften in dem festen Glauben zurückzukehren, sobald die arabischen Armeen Israel besiegt haben würden und alle Juden ins Meer getrieben und massakriert worden wären. Nur in wenigen Fällen riefen lokale arabische Autoritäten die Einwohner zur Flucht auf – der aus französischer Kriegsgefangenschaft nach Kairo geflüchtete Haj Amin al-Husseini rief die palästinensischen Araber über das Radio im Gegenteil zum Bleiben auf –
und nur in wenigen Fällen wurden sie von den israelischen Streitkräften vertrieben. Der weitaus größte Teil der geschätzt 750.000 palästinensischen Araber, die ihre Ortschaften verlassen hatten, ließ sich im Gaza-Streifen und im Westjordanland nieder, verblieb somit auf dem Gebiet der einstigen osmanischen Provinz Palästina, auch wenn es von Ägypten und Jordanien bis zum Sechstagekrieg 1967 besetzt blieb. Nur die wenigsten gingen in den Libanon, nach Syrien, Jordanien oder in die Golfstaaten. Das UNO-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge (UNRWA), das 1949 gegründet wurde und 1950 seine Arbeit aufnahm, hatte immer wieder nur ein vorübergehendes Mandat. Dass es noch heute existiert und dass es überhaupt jemals Flüchtlingslager im Gaza-Streifen und im Westjordanland gegeben hat, zeigt, wie voreingenommen die UNO gegenüber Israel nach dem Teilungsbeschluss von 1947 gewesen und bis heute ist.
Gab es ein eigenes, international finanziertes Flüchtlingshilfswerk für die 850.000 aus den arabischen Staaten geflohenen und vertriebenen Juden, die Israel ab 1948 aus eigener Kraft versorgte? Gab es internationale Hilfsgelder für ihre Gesundheitsversorgung, für ihre Beschulung und für ihre soziale Integration? Hat die UNO jemals gefragt, wohin der Besitz der von Ägypten, dem Irak, Syrien und dem Libanon enteigneten ehemaligen jüdischen Staatsbürger geraten ist und welche unersetzlichen Kulturgüter dabei zerstört worden sind?
Das viel beschworene „Leid der Palästinenser“, das seit Jahrzehnten Israel angelastet wird, war und ist bis heute in Wahrheit hausgemacht. Nirgendwo auf der Welt gelten Binnenflüchtlinge, die der überwiegende Teil der 1947/48 geflohenen palästinensischen Araber von Anfang an gewesen sind, als rechtlich geschützte Personengruppe, die von der internationalen Staatengemeinschaft sozial, gesundheitlich, bildungs- und ausbildungstechnisch versorgt wird. Nirgendwo auf der Welt verfügen die Kinder, Kindeskinder, Kindeskindeskinder einstiger Flüchtlinge über einen vererbbaren Flüchtlingsstatus, der ihnen kostenlos all jene Versorgungsleistungen gewährt, die sie andernfalls selbst erbringen müssten. Wären die UNO und die EU nicht für sämtliche Versorgungsleistungen im Gaza-Streifen und im Westjordanland aufgekommen, hätte die Hamas die üppigen Spenden vor allem aus Katar und die Erlöse aus dem internationalen Drogenhandel nicht für den aufbau einer Terrorinfrastruktur in bislang ungekanntem Ausmaß einsetzen können, ohne dass die viel zitierte Gazaner Zivilbevölkerung gegen die Terrorherrschaft aufbegehrt hätte.
Die palästinensischen Araber werden gegenüber allen anderen Flüchtlingen auf der ganzen Welt bevorzugt und privilegiert. Genau das entlarvt die von ihnen verbreitete absurde Legende, sie seien das am meisten leidende „Volk“ auf der Welt, dem seit 1948 pausenlos Unrecht zugefügt worden wäre, obwohl das genaue Gegenteil der Fall gewesen ist. Die palästinensischen Araber waren ab 1948 in haargenau der gleichen Lage, in der mehrere Millionen Flüchtlinge auf dem vom Krieg zerstörten europäischen Kontinent gewesen sind, allen voran die deutschen „Heimatvertriebenen“, denen mit den palästinensischen Arabern gemeinsam war, dass sie einen Krieg begonnen und verloren hatten. Doch keine einzige all dieser Gruppen bekam so großzügige internationale Hilfsleistungen wie palästinensische Araber. Trotzdem schafften es diese Gruppen nach und nach, aus einer so misslichen Lage wie einem Flüchtlingsdasein herauszufinden.
Schuld daran, dass das den arabisch-palästinensischen Flüchtlingen nicht gelang, waren neben dem Palästinaflüchtlingshilfswerk, das sein Mandat auch nach einem Jahrzehnt durch die internationale Gemeinschaft immer aufs Neue verlängert bekam, den Staaten der Arabischen Liga und dem Ostblock mit der Sowjetunion an seiner Spitze auch sie selbst, allen voran diejenigen ihrer Führungsfiguren, die nicht ihr Wohlergehen, sondern immer nur den Hass auf den jüdischen Staat im Sinn hatten, von Haj Amin al-Husseini, dem Mufti von Jerusalem über Jassir Arafat und Mahmud Abbas einschließlich der gesamten PLO bis hin zur Hamas, die der PLO in dem Moment das Wasser abzugraben begann, als sie sich Mitte der 1990er Jahre zumindest scheinbar auf den Oslo-Friedensprozess einließ.
Von den 1970er bis Anfang der 1990er Jahre destabilisierten palästinensische Araber zeitweilig fast sämtliche arabischen Staaten, in denen sie Aufnahme gefunden hatten, mit ihrer PLO-Terrororganisation gewaltsam: Jordanien 1970/71, Libanon von 1975 bis 1982 oder Kuweit 1990/91. Eine Blutspur zog die PLO mit ihren mörderischen Bombenattentaten auf Flugzeuge, mit ihren Flugzeugentführungen und dem Olympia-Attentat auf die israelische Mannschaft in München 1972 auch durch Europa. Und trotzdem ging PLO-Chef und Muslimbruder Jassir Arafat nicht nur bei der UNO und in der DDR ein und aus, sondern in den 1980er Jahren auch bei den in Bonn versammelten Sozialdemokraten. Irgendwoher müssen die freundschaftlichen Gefühle für den Topterroristen Arafat gekommen sein, die 2017 den damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier veranlassten, sich vor dessen Grab zu verneigen. Der Terror, den die 1964 gegründete PLO bis in die 1990er Jahre betrieb, dann kurz für ihrerseits nur scheinheilige Friedensgespräche mit Israel unterbrach und im Jahr 2000 wieder aufnahm, diente noch nie dem Ziel einer palästinensischen Staatsgründung, sondern immer nur dazu, die Weltöffentlichkeit zu erpressen und Israels Verschwinden von der Landkarte zu erzwingen. Die palästinensischen Araber wollten keinen eigenen Staat, den sie seit 1937 wiederholt – zuletzt 2000 und 2008 – hätten haben und mit ihm beweisen können, dass sie außer zu Fanatismus, Mord und Terror auch zu produktiven Leistungen wie dem Aufbau eines friedlichen und sich selbst tragenden Gemeinwesens fähig sind.
Was ich hier schreibe, ist gemein gegenüber der leider verschwindend kleinen Minderheit palästinensischer Araber, die tatsächlich Frieden mit Israel und ein Leben ohne Judenhass will. Ich sehe allerdings nicht, wie dieser kleinen Minderheit zur Macht verholfen und sie vor Attentaten aus der Mitte ihrer Mitbürger geschützt werden könnte. Diese Frage habe allerdings nicht ich, sondern haben die arabischen Staaten zu beantworten, die mit Israel Frieden geschlossen haben. Das heißt, auch die EU und Friedrich Merz nicht, dem zu empfehlen wäre, seinen Außenminister auszutauschen, da mit Johann Wadephul nichts mehr zu kitten ist. Lassen Sie sich von Michael Wolffsohn die israelische Kriegsführung erklären, Herr Merz, und kümmern Sie sich – anstatt um eine illusionäre Zweistaatenlösung, die weder Israelis noch palästinensische Araber wollen – lieber um die Frage, wie die hohe Prozentzahl „Israelkritiker“ kleiner wird. Denn Judenfeindschaft zerstört nicht nur das Leben von Juden, sondern auch das einer jeden freiheitlich-demokratischen Ordnung. Und der Fisch fängt bekanntlich immer vom Kopf an zu stinken.