Zum Inhalt springen

Gaza den Gazanern?

Kürzlich kündigte Frankreich an, Palästinensern aus dem Gaza-Streifen Asyl zu gewähren. Außerdem stellte Emmanuel Macron in Aussicht, im Herbst vor den Vereinten Nationen einen – freilich inexistenten – Staat Palästina anerkennen zu wollen. Beides zeugt weder von politischer Klarsicht noch von einem ethischen Fundament. Gerade erst berichteten französische Medien von den antisemitischen Ausfällen einer aus dem Gaza-Streifen stammenden palästinensischen Stipendiatin, die in Frankreich Aufnahme gefunden hatte und an einer Eliteuniversität studieren durfte. Sie feierte und pries auf der Plattform X nicht nur Adolf Hitler und das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023, sondern äußerte auch die Hoffnung auf ein Judenpogrom durch die maghrebinischen Brüder in Frankreich und bezeichnete Juden bei dieser Gelegenheit als „Wanzen“ und „Insekten“, siehe hier https://www.juedische-allgemeine.de/juedische-welt/sie-feierte-den-7-oktober-und-bekam-doch-ein-stipendium/. Die Ungeziefer- und Insekten-Metaphorik, die Juden entmenschlicht, war schon Bestandteil der antisemitischen Propaganda Mohammed Amin al-Husseinis, des Palästinenserführers und Großmuftis von Jerusalem, in den dreißiger und vierziger Jahren. Inzwischen wurde die 25-jährige Gazanerin exmatrikuliert und wird Frankreich verlassen müssen.

Was aber veranlasst französische Politiker, Diplomaten, Behörden und Universitäten eigentlich zu der Annahme, Palästinenser würden mehrheitlich anders denken und fühlen als die Ex-Studentin aus Gaza, die sie dabei sind auszuweisen? Macron entschied sich aus Furcht vor dem gewalttätigen Furor der arabischstämmigen Mobs im Land vor Wochen dagegen, eine Demonstration gegen Antisemitismus anzuführen. Das war einerseits ein Kotau vor dem islamischen Antisemitismus und dem Israelhass, andererseits ein überdeutliches Signal an die größte in Europa lebende jüdische Gemeinde: Der gegenwärtige französische Präsident ist nicht bereit, sich öffentlich an ihre Seite zu stellen und dafür einen Konflikt mit dem antisemitischen Mob im Land in Kauf zu nehmen.

Das ist insofern bemerkenswert, als Frankreich allein in diesem Jahrtausend schon elf, zum Teil mit grausamer Folter und Brutalität verbundene antisemitische Morde zu verzeichnen hat. 2006 wurde der Handyverkäufer Ilan Halimi in Paris von einer Gang tagelang zu Tode gequält und gefoltert. 2012 wurden der Rabbiner Jonathan Sandler, seine beiden kleinen Kinder und die achtjährige Myriam Monsonego vor einer jüdischen Schule in Toulouse von einem Islamisten erschossen. 2015 wurden vier weitere französische Juden, Yohan Cohen, Yoav Hattab, Philippe Braham und Francois-Michel Saada, beim Terroranschlag auf einen koscheren Supermarkt in Paris ebenfalls von einem Islamisten ermordet. 2017 wurde die Ärztin Sara Halimi nachts von einem Eindringling in ihre Wohnung unter Allahu akbar-Rufen schwer misshandelt und aus dem Fenster in den Tod gestoßen. 2018 wurde die 85-jährige Holocaust-Überlebende Mireille Knoll in ihrer anschließend in Brand gesetzten Wohnung mit elf Messerstichen ermordet. Alle Mörder waren muslimisch und hatten eine Einwanderungsgeschichte. Allerdings war der Angestellte Lassana Bathily, der bei der Geiselnahme im koscheren Supermarkt sechs jüdische Kunden vor dem Zugriff durch den Terroristen bewahrte, indem er sie in einem von innen abschließbaren Lagerraum versteckte, ebenfalls muslimischer Einwanderer. So glasklar wie auf den ersten Blick ist das Lagebild also nicht ganz.

Das war übrigens auch in Deutschland seit den neunziger Jahren klar: Der Konflikt verläuft nicht zwischen Migranten und Eingeborenen, sondern zwischen denen, die für den Westen und gegen Judenhass auf der einen Seite sind, und denen, die gegen den Westen und – heute kann man das so zuspitzen – für „Israelkritik“ und das Infragestellen des Existenzrechts Israels auf der anderen Seite sind. Die Europäer müssen sich entscheiden: Wollen sie den Westen, jüdische Gemeinden und weiter so leben, wie in der freien Welt nach 1945, oder wollen sie den Westen und die Freiheit abschaffen, die Abwanderung von Juden und eine gesellschaftliche Transformation. Es ist in diesem Fall eine entweder-oder-Frage. Und sie ist unausweichlich. Judenfeinde sind Feinde der freien Welt des Westens.

Handelt es sich bei den Freiheitsfeinden um eingeborene Links- oder Rechtsextremisten, kann man sie leider nicht aus dem Land schaffen oder an der Zuwanderung hindern, sondern nur dafür sorgen, sie politisch so klein wie möglich zu halten. Handelt es sich um Einwanderer, muss man sie abschieben und verhindern, dass sie nach Europa gelangen. Diese Asymmetrie zwischen eingeborenen und eingewanderten Freiheitsfeinden besteht real und ist anzuerkennen. Dabei geht es nicht um Einwanderung ja oder nein, sondern um gesteuerte und kontrollierte Einwanderung und das Recht eines jeden Staates, darüber zu bestimmen, wer kommen darf und wer nicht, versus Massenzuwanderung, über die Schlepper und der Geldbeutel von Glücksrittern entscheiden. Europäische Länder haben in erster Linie die Rechte und insbesondere die Menschenrechte ihrer Staatsbürger zu garantieren. Wenn diese Menschen-, Grund- und Freiheitsrechte durch illegale Zuwanderung gefährdet sind, ist es allererste Aufgabe von Staatsoberhäuptern, diese Art der Zuwanderung zu unterbinden. Die Rechte von Zuwanderern, zumal illegalen, dürfen nicht schwerer wiegen als diejenigen von Staatsbürgern. Europa hat für seine Freiheit einen hohen Preis gezahlt: zuerst 60 Millionen Tote, darunter 6 Millionen ermordete europäische Juden, und vierzig Jahre Unfreiheit in Ost- und Mitteleuropa. Das scheint jüngeren Politikern im Westen nicht klar zu sein.

Macron, der die Morde an Halimi 2017 und Knoll  2018 lautstark verurteilt hat und zum Islamismus klare Worte fand, sollte entsprechend handeln. Es ist weder seine noch die Aufgabe der europäischen Union, den vielbeschworenen israelisch-palästinensischen Nahost-Konflikt zu lösen und erst recht nicht, Israel unter Druck zu setzen oder gar zu sanktionieren, das gerade mit einem hohen Blutzoll darum kämpft, seinen Staatsbürgern die Sicherheit wiederzugeben, die sie in Europa längst nicht mehr haben und mit dem Pogrom der Hamas am 7. Oktober 2023 vorrübergehend verloren hatten. Die von Macron angekündigte Anerkennung eines Palästinenserstaates, dem jede dafür nötige Grundlage fehlt – Soll sein Staatsvolk von vornherein Juden ausschließen? Sollen seine Grenzen auf die Gefahr hin unbestimmt sein, dass sie der politisch-ideologischen Zielsetzung nach das Staatsgebiet Israels einschließen? Wer genau soll dort wie genau die Staatsgewalt ausüben? -, ist nicht nur eine politische Dummheit sondergleichen, sondern auch eine Gefährdung des jüdischen Staates. Wenn die Mehrheit der Einwohner eines künftigen Palästinenserstaates mental so tickt, wie die 25-jährige Studentin aus Gaza, die sich Judenpogrome auch in Europa wünscht und die Frankreich sich gerade bemüht, wieder loszuwerden, ist der nächste 7. Oktober programmiert.