Das Interview des BILD-Journalisten Paul Ronzheimer mit Reza Pahlavi, dem Sohn des 1979 im Iran gestürzten Schahs Mohammed Reza Pahlavi ist ausgesprochen hörenswert https://www.youtube.com/watch?v=FaVaXPFAfVg. Selbst wer sich nur oberflächlich mit dem modernen Iran beschäftigt hat, weiß, dass Pahlavi nicht anstrebt, Frauen zu unterdrücken, denn es waren sein Großvater und sein Vater, der sie vom Kopftuchzwang befreite, sie formal gleichstellte und ihnen Bildungschancen eröffnete. Lebensstandard, Wirtschaft und Bildung sind unter dem Schah in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelt worden und angestiegen und mit ihnen Lebenserwartung und Bevölkerungsanzahl der Iraner, auch wenn es sich bei seiner Herrschaft politisch um eine Monarchie, autoritäre Staatsführung und Diktatur handelte, die mit ihrem Geheimdienst jede Opposition unterband.
Allerdings muss man im Auge behalten, dass damals die Sowjetunion die marxistisch-leninistische Opposition im Iran steuerte, im benachbarten Afghanistan die linke Staatsführung kontrollierte, deren Macht garantierte und als die zusammenbrach, ins Land einmarschierte, um ab 1979 einen zehnjährigen, verlustreichen Krieg zu führen, den sie schließlich verlor. Vergegenwärtigt man sich, dass die 1970er Jahre im Westen das „rote Jahrzehnt“ (Gerd Koenen) mit zahllosen marxistisch-leninistischen-maoistischen Splittergruppen gewesen ist, das Jahrzehnt überdies, in dem die Sowjetunion die Terrororganisation Palästinensische Befreiungsbewegung (PLO) in der UNO einführte, obwohl sie in München 1972 gerade erst das Attentat auf die israelische Olympia-Mannschaft verübt hatte und zehn Jahre lang durch Flugzeugentführungen und Bombenattentate in ganz Europa von sich reden machte, erscheint einem die Unterdrückung der Opposition durch den Schah in einem etwas milderen Licht. Zu rechtfertigen ist sie nicht. Der Schah hat während seiner Herrschaft eine ganze Menge richtig gemacht, aber zu viel falsch, um weiter regieren zu können. Er wäre indes binnen kurzer Zeit durch seinen Sohn Reza Pahlavi ersetzt worden, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit umfangreiche Reformen eingeleitet hätte. Rückblickend war der Sturz des Schahs ein veritables Fiasko, das weltweit eine jahrzehntelange Blutspur nach sich zog.
1979 war das Jahr, in dem sich mit der Herrschaft Ajatollah Chomeinis und der Mullahs der politische Islam durchsetzte, für islamisch geprägte Staaten als Lösung anbot und zur Gründung zahlreicher islamistischer Terrororganisationen führte, die teils wie die Hisbollah vom Iran gesteuert und gefördert wurden, teils wie die bereits existierende ägyptische Muslimbruderschaft und ihre Ableger in den arabischen Staaten Aufwind bekamen. Dazu gehören die arabisch-palästinensischen Islamisten, die 1987 die Hamas als Zweig der Muslimbrüder gründeten und die syrischen Muslimbrüder, die der Saudi Osama bin Laden unterstützte, bis sie 1982 vom syrischen Diktator Hafiz al-Assad endgültig niedergeschlagen wurden. Bin Laden war im Zuge der Besetzung der Großen Moschee in Mekka 1979 durch saudische Fundamentalisten auf den Geschmack gekommen, die ebenfalls im Nachgang der islamischen Revolution im Iran stattfand. Sie brachte einen Aufschwung des Salafismus zunächst in Saudi-Arabien selbst mit sich, dann durch Import weltweit. Ohne den Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan hätte sich keine von bin Laden und dem arabischen Palästinenser Abdallah Azzam gegründete Terrororganisation namens Al Qaida festsetzen können, die ab den 1990er Jahren Terroranschläge in den Vereinigten Staaten verübte. Der 11. September 2001 wäre New York und der gesamten westlichen Welt erspart geblieben. Islamisten wie Recep Tayipp Erdogan und sein Mentor Erbakan in der Türkei schwammen ebenso im Fahrwasser des erstarkten religiösen Fundamentalismus wie die Islamverbände, die im Westen wie Pilze aus dem Boden zu schießen begannen. Nicht zu vergessen ist die Todesfatwa Chomeinis gegen den britischen Schriftsteller Salman Rushdie im Februar 1989, die für Islamkritiker das Auftreten im Westen lebensgefährlich machte. Es sind weltweit ziemlich viele Tote, die es nicht gegeben hätte, wenn der ohnehin schwerkranke Schah 1979 nicht gestürzt worden wäre. Der Westen, genauer: die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland ließen Mohammed Reza Pahlavi im Januar 1979 fallen und das war aus heutiger Sicht ein Riesenfehler, weil genau das den weltweiten Aufstieg des politischen Islam ermöglichte. Die Sowjetunion, die an diesem Aufstieg einen beträchtlichen Anteil hatte, und die Ostblockstaaten kollabierten ab 1989 unwiderruflich. Daran ändert auch Putins mörderischer Angriffskrieg in der Ukraine nichts. Der islamische Fundamentalismus, dessen Erstarken ohne Chomeinis Sieg nicht möglich gewesen wäre, beschäftigt uns noch immer. Der Westen sollte Israel dankbar dafür sein, dass es mit seiner Selbstverteidigung die Hamas, die Hisbollah, die Terrormilizen in Syrien und im Irak sowie perspektivisch die islamistische Huthi-Truppe im Jemen und mithilfe der USA das Atomprogramm des Iran zerschlägt, die es alle ohne den Sturz des Schahs nicht gegeben hätte.
Wer die Reden Reza Pahlavis der letzten Jahre angehört hat, weiß, dass er nicht vorhat, nationale Minderheiten wie die Kurden oder die Bellutschen zu unterdrücken. Er beabsichtigt nicht, eine nostalgische Wiedereinsetzung der Monarchie im Iran mit ihm selbst als Schah an der Spitze, auch wenn das vielleicht der Traum mancher seiner Anhänger sein mag. Pahlavi kann eine Integrationsfigur der zersplitterten Opposition für die Übergangszeit nach dem Kollaps des Mullah-Regimes sein, um das gefährliche Machtvakuum zu füllen, das ohne eine solche Instanz entstünde. Ihm schwebt eine säkulare Demokratie vor, die sich durch freie, gleiche und geheime Wahlen legitimiert. Um die zu gewährleisten, braucht es eine starke Staatsgewalt, damit das Land nicht in einem Bürgerkrieg versinkt. Im Augenblick müsste der Westen eine energische und verschärfte Sanktionspolitik gegen die Mullahs betreiben, die Revolutionsgarden international auf die Terrorliste setzen und vor allem mit einem endlich aufhören: dem Appeasement gegenüber dem totalitären Gottesstaat.