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Warum ukrainische Flüchtlinge willkommen sind, illegale Einwanderer aus Syrien oder dem Irak aber nicht

Für Medien und für meinen Bekanntenkreis ist die Frage nach den Unterschieden zwischen denKriegsflüchtlingen aus der Ukraine und denen aus Syrien und dem Irak ein thema. Vorgestern sprachen sich in der DLF-Sendung “Zur Diskussion” Teilnehmer explizit dafür aus, diese Frage nicht zu ethnisieren. Ich sehe das genauso. Ein paar handfeste Unterschiede zwischen diesen Flüchtlingsgruppen liegen auf der Hand. Es gibt mehrere Gründe, weshalb die Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge aus der Ukraine in den Visegrad-Staaten so groß ist.

Erstens sind die Flüchtlinge aus der Ukraine wirklich welche, während die Menschen aus Syrien oder dem Irak in der Regel Einwanderer sind, die nicht die Absicht hatten, nach Syrien oder in den Irak zurückzukehren, sobald der Krieg vorbei war. Vor dem Krieg und dem Islamischen Staat sicher waren Syrer und Irakerbereits in den Anrainerstaaten, deren Flüchtlingslager allerdings rasch überfüllt waren. In genau diese Hilfsstrukturen der Anrainerstaaten hätte die EU damals kräftig investieren müssen, anstatt Flüchtlingslager auf europäischem Boden zu errichten. Da Angela Merkel sich weder mit den EU-Staaten noch mit dem bundesdeutschen Parlament abgestimmt hatte, fehlte damals die Bereitschaft vor allem der osteuropäischen Staaten, sich zu engagieren. Zweitens befürworten die ukrainischen Flüchtlinge Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat, kurzum den Westen, für dessen Etablierung im eigenen Land die Ukrainer ja heute gegen die russische Invasion militärisch kämpfen. Das tat ein Teil von ihnen seit der russischen Besetzung der Krim und der russischen Separatistenbewegung vor acht Jahren. Politisch begann der Kampf für westliche Werte mit der orangenen Revolution. Dieses Eintreten für westliche Werte kann man bei syrischen und irakischen Flüchtlingen, die wie gesagt genaugenommen Einwanderer waren, drittens nicht immer voraussetzen. Das erschwert  ihre Aufnahme und erst recht ihre Integration. Es geht gar nicht darum, dass sie wie die Ukrainer bereit wären, für westliche Werte ihr Leben zu lassen. Es geht darum, dass sie die westliche, freiheitlich-demokratische Ordnung in den Ländern, in die sie einwandern bedingungslos akzeptieren und respektieren und mit ihr die Gleichberechtigung von Frau und Mann, das staatliche Gewaltmonopol und all diejenigen, die es repräsentieren.  Viertens waren überproportional viele Männer unter denjenigen, die 2015 und in den Folgejahren aus Syrien und dem Irak nach Europa kamen. Aus der Ukraine aber flüchten überwiegend Frauen, Kinder und ältere Menschen. Es ist legitim, aus wirtschaftlichen Gründen und weil man sich bessere Lebensperspektiven erhofft, nach Europa auszuwandern. Nur sind weder die Genfer Flüchtlingskonvention noch das Asylgesetz für diese Fälle geschaffen worden. Hinzu kommt, dass Europa für schlecht oder gar nicht ausgebildete Menschen keinerlei Perspektive bieten kann. Erst recht dann nicht, wenn der Westen mental eher Feindbild, denn Wunschziel ist. Syrien und der Irak waren zwar fünftens weltliche Militärdiktaturen, keine Gottesstaaten. Aber die strikte Trennung von weltlicher und religiöser Ordnung, die im Islam nicht verankert ist und auch im Westen erst gegen das Christentum durchgesetzt werden musste, haben Menschen aus islamisch geprägten Kulturen mit Ausnahme der Türkei nicht mit der Muttermilch aufgesogen. Bürger-, Menschen- und Frauenrechtler_innen aus diesen Kulturen haben sich ihre glasklaren Positionen – wieder mit Ausnahme der Türkei – in der Regel erst gegen ihr soziales Umfeld erabeiten müssen, weshalb sie darin oft sicherer sind als so manche romantisierende Europäer. Religiöse Anmutungen spielten in der Ukraine, die bis Anfang der 1990er Jahre zur kommunistischen Sowjetunion gehörte und folglich in den letzten einhundert Jahren eher atheistisch geprägt wurde, ohnehin nur im Privatleben und strikt vom Staat getrennt eine Rolle. Die kulturelle Nähe zwischen Ukrainern und den Ländern, in die sie fliehen,wurde in den letzten Wochen oft betont, rührt aber nicht aus der gemeinsamen Prägung durch das Christentum, sondern aus der gemeinsamen Geschichte und den Werten, die sie teilen.
Mit Rassismus oder Ethnozentrismus hat es also nicht das geringste zu tun, wenn flüchtende Ukrainer heute in Polen willkommener geheißen werden als syrische oder irakische Einwanderer, die ihren Zutritt ins Land leider oft auch noch gegen die staatlichen Organe, die sie daran zu hindern versuchen, erzwingen und durchsetzen wollen. Anzunehmen, dass sie das staatliche Gewaltmonopol akzeptieren und die Repräsentanten des Staates respektieren, in den sie einwandern wollen, wäre naiv.