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Wer hat Muriel Asseburg gemeuchelt? Niemand!

In der DDR hätte die Politologin Muriel Asseburg eine ebenso beachtliche Karriere hingelegt, wie sie das bei der “Stiftung Wissenschaft und Politik” in der Bundesrepublik getan hat. Ihre romantische Verklärung der arabischen Palästinenser zu Widerstands- und Freiheitskämpfern entspricht eins zu eins dem Bild, das man dort von der PLO und ihrem Kampf gegen Israel vermittelt hat. Vielleicht verlief auch deshalb ihr zweieinhalbstündiges Gespräch mit dem Ostdeutschen Tilo Jung vom Format “Jung und Naiv” auf YouTube so anregend, so wechselseitig inspirierend und in jeder Hinsicht einvernehmlich. https://www.youtube.com/watch?v=333rt6aUVnE

 

Um Zweifel an der wissenschaftlichen Kompetenz Asseburgs formulieren zu können, muss man gar nicht ins Detail gehen. Es genügt, ihre beharrliche Weigerung, Terrororganisationen wie die Hamas als solche zu bezeichnen. Asseburg tut so, als läge es im Ermessen einzelner Politologen, wie sie militante Araber im Gaza-Streifen und  im Westjordanland “framen” oder “labeln”. Ihr Insistieren, Terroristen würden immer Terroristen genannt, weil man sie delegitimieren wolle – was auf den abenteuerlichen Gebrauch des Begriffs “Terrorist” durch Leute wie Putin, Assad oder Erdogan sicher zutrifft, die meines Wissens allerdings nicht die Terminologie der Politikwissenschaft und der internationalen Politik festlegen -, stellt bereits eine Selbsterklärung dar, mit der Asseburg das Feld seriöser Wissenschaft gleich eingangs räumt. (Ich kann mich übrigens nicht erinnern, dass die Hamas in den öffentlich-rechtlichen Medien hierzulande je als Terroristen und Islamisten bezeichnet worden wären, obwohl sie genau das und nichts anderes sind, weder, wie es in der Regel heißt, “radikalislamisch” noch einfach bloß ein bisschen “militant”.)

Es gibt dann noch ein paar turmhohe Klippen, die Asseburg mit der Differenzierung zwischen Palästinensischer Autonomiebehörde und einer palästinensischen “Zivilgesellschaft” glaubt elegant umschifft zu haben: Abbas wie überhaupt die ältere Funktionärsaristokratie der Fatah hatten selbstredend beste Beziehungen und Kontakte zur ehemaligen Sowjetunion – viele haben dort oder anderswo im Ostblock studiert – und zur heutigen Führung Putin-Russlands (Kleptokraten verstehen einander schon allein deshalb prächtig, weil sie wissen, wie und nach welchen Kriterien man Pfründe auf- und zuteilen muss, damit das System funktioniert.) Nicht Abbas, wohl aber der gewöhnliche Palästinenser im Westjordanland würde mit den Ukrainern mitfühlen, so Asseburg, weil er Menschenrechtsverletzungen, Gewalt und Besatzung ja schließlich zur Genüge kennen würde. Woher Asseburg diese Weisheit nimmt, wann sie zuletzt gewöhnliche Palästinenser in der Westbank nach ihrer Einschätzung des russischen Vernichtungskriegs in der Ukraine befragt hat, ließ sie offen, weshalb der Zuhörer dieses Gespenstergesprächs im Unklaren darüber bleibt, ob Asseburg sich das nur so denkt oder ob sie über belastbares Datenmaterial verfügt. Das zu wissen wäre wichtig, wenn man ihre wissenschaftliche Kompetenz beurteilen möchte.

Wissen kann der gemeine Zuhörer aber, dass Asseburg genau diese Volte braucht, um ihm den Mumpitz auftischen zu können, die Situation der Palästinenser entspräche jener der heutigen Ukrainer, während die Israelis sich schon immer benommen hätten wie die heutigen Putin-Russen. Das ist die altbekannte Schablone. Die Palästinenser sind immer die Unterdrückten, die Verdammten dieser Erde, die Leidenden, von himmelschreiendem Unrecht, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen, Bombardements heimgesuchten Opfer jüdischer Aggressoren, das von schießwütigen israelischen Soldaten in gepanzerten Fahrzeugen völkerwiderrechtlich um seine palästinensische Scholle gebrachte, enteignete Volk. Die Israelis dagegen sind wie immer die Täter, abwechselnd Faschisten, Nazis, Europäer, Amis, Weiße etc. Und heute eben die Russen. Und wenn man den gewöhnlichen Palästinenser auf der Straße fragt, wo er steht und mit wem er marschiert, sagt er wie aus der Pistole geschossen: “An der Seite der Ukrainer, stupid!” Ob die Araber im Westjordanland so ticken wie Muriel sie sich und uns vorstellt, lassen wir beiseite. Sicher ist nur, dass Muriels Vorstellungswelten mit Wissenschaft so viel zu tun haben wie die Dreifaltigkeit mit einem Traktor.

Über wissenschaftliche Expertise zu einem Thema verfügt man nicht schon dann, wenn man ein bestimmtes Fach studiert oder auf einem bestimmten Gebiet Qualifikationen erworben hat, sondern erst, wenn die Texte, Vorträge oder Interviews – gerade bei gesellschaftspolitisch relevanten Themen – klare Kriterien erfüllen: Sie müssen faktenbasiert, überprüfbar und möglichst nicht politisch-ideologisch sein, was auf viele Äußerungen Muriel Asseburgs im “Jung und Naiv”-Gespräch nicht zutrifft. Die Hamas ist eine islamistische Terrororganisation, die am laufenden Band Menschenrechtsverletzungen an arabischen Palästinensern als auch an Israelis begeht. Es existiert kein palästinensischer Staat – folglich auch kein Völkerrechtssubjekt -, der von den Israelis “besetzt”, “okkupiert” oder was auch immer werden könnte, weil die arabischen Staaten das 1947 abgelehnt haben und nach 1967 nicht dazu bereit gewesen sind, mit Israel auch nur darüber zu verhandeln. Weil Jassir Arafat entsprechende Verhandlungen im Jahr 2000 am Ende torpedierte und zum alten Muster des Terrors zurückkehrte, die seine Rivalen von der Hamas immer schon und immer noch für den einzig gangbaren Weg im Umgang mit Israel halten – es ging nie um einen weiteren arabischen Staat neben, sondern immer nur anstelle Israels – und weil Mahmud Abbas, der sich in der gleichen Situation wie seinerzeit Arafat befindet, ein erneutes Angebot von Ehud Olmert im Jahr 2008 ausgeschlagen hat. Gesetzt den Fall, Arafat und Abbas hätten die beiden Angebote von 2000 und 2008 angenommen, hätten sie das vermutlich nicht sehr lange überlebt, weil weder Hamas noch Islamischer Dschihad das zugelassen hätten.

Anstatt über ein inexistentes Recht auf “Widerstand” seitens der arabischen Palästinenser gegen Israel zu fabulieren – auch dieser Unsinn disqualifiziert Asseburg und katapultiert sie aus der Reihe seriöser Nahostwissenschaftler -, hätte Asseburg gern die israelische Siedlungspolitik, diesen oder jenen Schritt der verschiedenen israelischen Regierungen etc. kritisieren können, ohne auch nur entfernt in die Nähe dessen zu geraten, was man stumpf-dumpfe Einseitigkeit, “Israel-Bashing” oder Antisemitismus nennt. Hat sie aber nicht. Und deshalb protestierte der israelische Botschafter, zweifelte Zentralratspräsident Josef Schuster die Seriosität von Asseburgs Expertise an und erschienen hier und da kritische Beiträge, die Asseburgs Fantastereien minutiös geradezurücken suchten.

Dass Wissenschaftlern öffentlich mitunter scharf Paroli geboten wird, sollte selbstverständlich sein. Einen solchen Vorgang als “Diffamierung” abzuqualifizieren, wie das die Stiftung Wissenschaft und Politik im Fall Asseburg getan hat, grenzt an Größenwahn. Die Stiftung ist weder der Heilige Stuhl noch handelt es sich bei Asseburgs Äußerungen um wissenschaftliche Großtaten. Auch Wolfgang Benz reagierte seinerzeit auf die Kritiker seines Vergleichs von Antisemitismus und Islamophobie so, als hätten sie Majestätsbeleidigung begangen. Ähnlich dünnhäutig gaben sich Achille Mbembe, Aleida Assmann etc.pp Wurde die Kritik lauter und kam sie von unterschiedlichen Seiten, änderten die Heiligen Väter und Mütter, die Kaiserinnen und Kaiser ihre Strategie und gingen von der Entrüstung über zur erweiterten Opfer-Olympiade: Auf einmal wurden sie mundtot gemacht, wurden zum Schweigen gebracht, ja geköpft, gerädert, gefedert und gevierteilt. Die für meinen Geschmack etwas lächerliche Selbstdarstellung hatte zugleich etwas Erhellendes, denn sie verriet viel über das Selbstbild und das Selbstgefühl dieser Menschen und darüber, wie sie gern hätten, dass wir sie sehen.

Muriel ist da sogar noch ein bisschen schärfer drauf: “No, rien de rien”. Sie ließ den “Spiegel” wissen, dass sie nichts bereut. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/muriel-asseburg-nahostexpertin-erklaert-ihren-streit-mit-der-israelischen-botschaft-a-6a486385-7a1a-4e72-a96d-3ddb4e235fb2

Ron Prosor hoffentlich auch nicht.