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Antisemitismus auf dem Campus? Natürlich nicht!

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Michaels,

nachdem ich heute Ihr Interview in den Informationen am Morgen im Deutschlandfunk gehört hatte, fiel mir Ihr Beitrag in der Berliner Zeitung vom 15. Mai 2022 ein (https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/staatsrechtler-das-verbot-der-palaestinademos-pervertiert-versammlungsfreiheit-li.227922).

Sowohl Ihr damaliger Beitrag als auch Ihr heutiges Interview weisen Sie als Freund emotionalisierter Worte und ideologischer Schablonen aus: „pervertiert“, „an den Pranger gestellt“, „marginalisierte Gruppen“, „Mehrheitsgesellschaft“ oder „geframed“. Das sind alles weder juristische Kategorien noch wissenschaftlich fundierte und methodisch unumstrittene Begriffe.

Den Moderator griffen Sie schon eingangs unvermittelt mit der Behauptung an, er hätte einen Sachverhalt „falsch geframed“, obwohl er Ihnen lediglich die Frage gestellt hatte, ob Israel- und Judenhass auf dem Campus erlaubt sein sollten oder nicht. Dann verstiegen Sie sich zur Behauptung, Juden hierzulande seien von den antiisraelischen Camps ja nicht betroffen, obwohl seit dem 7. Oktober Synagogen beschädigt, Juden auf dem Campus und auf Straßen belästigt, eingeschüchtert, verbal und tätlich angegriffen und krankenhausreif geprügelt werden. Und die Unterzeichner dieses Pamphlets sollen die eigentlichen Opfer sein, die unverschuldet ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden, obwohl sie es doch selber waren, die das Scheinwerferlicht suchten, allen voran Naika Foroutan? Dass Sie den antisemitischen Slogan „From the river to the sea, Palestine will be free“ dem Likud anlasten, folgt der beredten Strategie, Juden die Schuld am Antisemitismus zu geben.

Wenn es darum geht, Antisemitismus auch Antisemitismus zu nennen, werden Sie furchtbar haarspalterisch. Geht es dagegen darum, das Pamphlet der Unidozenten in seinen offenkundigen Bezug zum Gaza-Krieg zu stellen, flüchten Sie auf einmal ins Wolkige und in Allgemeinplätze. Kann es sein, dass wir es hier mit einer doppelten Realitätsverweigerung zu tun haben?

Als Jurist treten Sie bemerkenswert unsachlich auf, als Wissenschaftler auffallend ideologiegetrieben, als Bürger dieses Landes geschichtsvergessen, als Fachmann für Antisemitismus fehlt es Ihnen offenkundig an Grundkenntnissen und als ernst zu nehmender Debattenteilnehmer sind Sie sichtlich zu voreingenommen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Sylke Kirschnick