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Zum Glück aufgelaufen! Deutsche Dichter und Denker gegen Waffenlieferungen an die Ukraine

Dazu ist bereits alles gesagt worden, ob zu Richard David Prechts absurder Aufforderung an die Ukrainer, die Waffen zu strecken, weil das angeblich klüger wäre – “Lumpenpazifisten” (Sascha Lobo) -, zu Daniela Dahn und Konstantin Wecker https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus238392389/Henryk-M-Broder-Ukraine-und-die-Bigotterie-deutscher-Friedensbewegter.html, https://www.nzz.ch/feuilleton/monika-maron-der-preis-fuer-den-frieden-ld.1680388, schließlich auch zum Offenen Brief von Alice Schwarzer et al, dem der Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger heute früh im Deutschlandfunk (3.5.) ein paar Fehlannahmen, falsche Schlüsse, unzureichende Analysen und Realitätsverweigerung attestierte. Auch Vertreter der in Deutschland lebenden Ukrainer haben Schwarzers Offenem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz öffentlich Paroli geboten https://www.tagesspiegel.de/politik/antwort-auf-offenen-brief-von-prominenten-ukrainer-in-deutschland-erschuettert-und-entsetzt-ueber-schwarzer-brief/28296092.html.

Bezeichnenderweise befanden sich unter den deutschen Dichtern und Denkern – Filmemacher subsumiere ich darunter -, die seit Wochen verantwortungslosen Humbug über die Ukraine, ihre demokratisch legitimierte Regierung und den Westen verbreiten, keine ausgewiesenen Osteuropa- oder Russland-Experten. Für diese Regionen, ja für die Welt als solche haben sich unsere Dichter und Denker entweder noch nie oder aber immer nur insofern interessiert, als sie es aus ideologischen Gründen und für ihre Selbstvermarktung benötigten. Ist ja erlaubt, schmälert aber doch erheblich die Qualität ihrer Einlassungen.

Mit “Vernunft”, “Reflexion” oder ernst zu nehmenden Debatten, die immerhin einigen Sachverstand erfordern, hat all das schon gleich gar nichts zu tun. Seit über hundert Jahren produzieren “Künstler und Intellektuelle” Aufrufe, Manifeste, Offene Briefe etc.pp am laufenden Meter und die schiere Fülle an solchen Verlautbarungen haben den Nimbus erzeugt, das gerade diese Professionen präziser urteilen, klarer denken und fühlen, gar umfassender und detaillierter wahrnehmen würden. Quatsch! Es gibt tatsächlich das eine oder andere Manifest – das Russell-Einstein-Manifest zum Weltfrieden von 1955, die Charta 77 oder das “Manifest der 12” https://de.wikipedia.org/wiki/Manifest_der_12 zum Beispiel und auch die eine oder andere Wortmeldung eines Schriftstellers wie etwa Thomas Manns BBC-Appelle an die “Deutschen Hörer” im Zweiten Weltkrieg, die bemerkenswert und bedeutsam waren und sind. Doch haben weder sämtliche Erklärungen von Dichtern und Denkern dieses Gewicht und diese Tragweite noch zeichnen sich alle ihre Äußerungen zur Tagespolitik und zum Weltgeschehen durch subtile Einsichten, glasklare Urteilskraft oder ein traumwandlerisch sicheres Gespür für die Lebenslagen anderer Menschen, für Tatsachen und Ereignisse aus. Vermutlich ist sogar häufig, wenn nicht gleich das Gegenteil, so doch mindestens ein gehöriger Mangel an all dem in Manifesten und Offenen Briefen der Fall.

Deshalb sollte man sich dieser Tage vielleicht nicht zu viel um die Selbstüberschätzung, das Fehlen an intellektuellem wie emotionalem Analysevermögen und die Vehemenz oder Lautstärke dieser Leute scheren. Mir scheinen nur drei Dinge auffällig: Erstens die Unbekümmertheit, mit welcher diese Leute zielgenau an dem Ast sägen, auf dem sie so komfortabel sitzen: dem Westen. Das hat, mit Verlaub, fast schon das Format eines gelungenen Slapsticks. Zweitens zeigt sich der alte Sumpf aus Antiamerikanismus und abgrundtiefer Ahnungslosigkeit bezüglich der ehemaligen Sowjetunion und des heutigen Russlands. Drittens reflektieren diese Leute weder sich selbst – dann müssten sie merken, dass sie sich überwiegend um sich selber drehen, ihre Gefühls- und Gedankenwelten und ihre ideologischen Verstricktheiten, die das Ganze grundieren – noch die Welt – dann müssten sie langsam mitbekommen haben, dass sie meilenweit neben der Spur operieren.

Man kann sich irren, komplett falsch liegen, Dummes denken, sagen und tun. Das machen wir alle mehr oder minder ununterbrochen. Nur ist die Bereitschaft, das zuzugeben leider weit weniger verbreitet.